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Fortsetzung der Chemie-Tarifrunde

Am kommenden Sonntag, 16. Oktober, werden die Bundes-Tarifverhandlungen der Chemie- und Pharmaindustrie nach dem Zwischenergebnis von Anfang April des Jahres wieder aufgenommen. Für die rund 170 Mitglieder des Westfälischen Arbeitgeberverbandes Chemie e.V. mit Sitz in Bochum werden der Vorsitzende Hans J. Hesse und AGV-Hauptgeschäftsführer Dirk W. Erlhöfer an den Verhandlungen in Wiesbaden teilnehmen.

Und beide erwarten schwierige Gespräche. „Die IG BCE beharrt auf ihrer Forderung nach einem Plus bei Entgelten und Ausbildungsvergütungen oberhalb der Teuerungsrate von zur Zeit rund 10 % und verkennt damit die  äußerst kritische Lage, in der sich die Chemie- und Pharmabranche befindet“, sagte Dirk W. Erlhöfer am Freitag in Bochum. Denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehen so aus: Maximale Unsicherheit bei der Gasversorgung, explodierende Preise für Energie und Rohstoffe, stark gefährdete Wertschöpfungs- und Lieferketten – die Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine treffen die chemische Industrie in ihren Grundfesten.

„Als wir im April die Tarifverhandlungen mit einer ‚Brücken-Lösung‘, die eine Einmalzahlung von 1400 Euro je Beschäftigten vorsah, verschoben haben, hatten wir die Hoffnung, dass die im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine um sich greifende Unsicherheit schwinden würde. Das Gegenteil ist eingetroffen: Die wirtschaftlichen Perspektiven sind heute deutlich schlechter, vor allem aber undurchsichtiger, als im Frühjahr“, erklärte Hans J. Hesse, selbst Unternehmer mit Firmensitz in Hamm. Regelmäßig ist er im Austausch mit anderen Unternehmern der Branche. Er weiß: „Die Wettbewerbsfähigkeit wie auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen hat seit April massiv gelitten; die gesamtwirtschaftlichen Aussichten sind deutlich schlechter geworden. Viel Spielraum für tabellenwirksame, also dauerhafte Tariferhöhungen gibt es nicht“, so Hesse.

Mit jedem Anstieg des Gaspreises sinke die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Chemie-Industrie weiter. Mit einem Gaspreis von 270 Euro je MWh zahlen Unternehmen in Deutschland achtmal mehr als Konkurrenten in den USA. Allein die Umlagen wie Konzessionsabgaben und Netzentgelte sind fast so hoch wie der gesamte Gaspreis in den USA. Die Vervielfachung der hiesigen Strompreise tue ihr Übriges und sorge für tiefe Sorgenfalten. „Das trifft viele Unternehmen schon jetzt. Wir hören bereits Stimmen, dass sich Produktion in Deutschland finanziell nicht mehr lohnt. Zum Teil haben Verlagerungen begonnen oder sind geplant“, so Hesse weiter. „Eine gefährliche Spirale, die zu einer beschleunigten De-Industrialisierung in Deutschland führen könnte. Die große Welle wird uns aber erst in den nächsten Monaten erwischen. Dann laufen viele Verträge aus und die Unternehmen müssen zum aktuellen Marktpreis einkaufen. Wie sehr die Gaspreisbremse greift und Kosten drücken kann, werden wir dann sehen. Die Folgen der steigenden Preise jedenfalls kennt die IG BCE sehr genau; sie werden aber bisher nicht in die Tarif-Forderung eingepreist. Daher muss die IG BCE nun sehr schnell wegkommen von ihren Maximalforderungen“, so Hesse abschließend mit Blick auf die am Sonntag weitergehenden Verhandlungen.