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"Roboter, übernehmen Sie!"

Wenn wie von Geisterhand sechs gelbe, blinkende Roboter plötzlich zum Leben erwecken und scheinbar ziellos ihre Bahnen ziehen, wähnt man sich entweder im nächsten Science-Fiction-Film – oder aber im Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik. Letzteres erlebten rund 20 Teilnehmer beim Seminar „Materialfluss und Logistik im digitalen Zeitalter, Lab-Tour im Fraunhofer-Institut", zu dem die Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen einluden.

Industrie 4.0 erlebbar machen und zeigen, welch kleine Schritte gerade für kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) am Anfang einer digitalen Strategie stehen können, war Ziel der Veranstaltung. Diplom-Logistiker Dr. Matthias Parlings führte durch den Vormittag und sagte gleich zu Beginn aus Erfahrung: „Es ist schwierig, das Thema Industrie 4.0 greifbar zu machen - gerade für kleine und mittelständische Unternehmen.“ Konzerne hätten gänzlich andere Strukturen und seien in der Lage, Testlabore einzurichten. Das Fraunhofer Institut hält genau so ein Testlabor auch für den Mittelstand bereit und bietet Hilfestellung bei der Planung und Implementierung erster Projekte hin zu echter Industrie 4.0. Vor der Besichtigung aber stand die Frage: Was genau ist eigentlich Industrie 4.0?

Autonomisierung statt Automatisierung

„Reine Automatisierung ist Teil der dritten industriellen Revolution. Roboter, die – vom Menschen gesteuert - schweißen, schrauben oder falten, zählen noch nicht zur Industrie 4.0“, sagte Dr. Matthias Parlings eingangs. Die Autonomisierung dieser Prozesse auf der Basis von cyberphysischen Systemen dagegen, das sei „echte Industrie 4.0“. „Wir reden hier im übrigen zum ersten Mal über eine Revolution, bevor sie eigentlich richtig beginnt. Wir nennen das Industrie 4.0 und setzen Programme dazu auf, ohne abschätzen zu können, wohin die Reise geht“, so Dr. Parlings weiter. „Die vorherigen Revolutionen wurden erst in der Retrospektive als echte Revolution eingestuft.“

Die Frage, mit der sich das Fraunhofer Institut in dieser spannenden Phase beschäftigt, ist simpel: „Wo holen wir den Mittelstand auf dem Weg zu Industrie 4.0 ab?“ Der Weg führt vom Informieren (Was genau ist Industrie 4.0?), über Demonstrieren (Digitalisierung live und in Farbe – gibt es das überhaupt?) und Qualifizieren (Welche Kompetenzen brauche ich für die Digitalisierung?) hin zu Konzipieren (Ist mein Unternehmen schon reif für die Digitalisierung und was sind meine nächsten Schritte?) und Umsetzen (Wie kann ich die Digitalisierung in meinem Unternehmen umsetzen und wie finde ich den richtigen Partner?). „Wir begleiten Sie bei diesem Weg und bieten Hilfestellung“, so Dr. Matthias Parlings, der betonte: „Ein Blick von außen auf Ihre eigenen Prozesse hilft, interne Denkstrukturen aufzubrechen und zu zeigen, was auch in Ihrem Unternehmen möglich ist.“

Rundgang durchs Labor

Wie erste Antworten auf immer individueller werdende Kundenwünsche und damit einhergehender Kleinserienproduktion bis hin zur Losgröße eins aussehen können, demonstrierte Dr. Matthias Parlings anschließend beim Rundgang durch das Labor des Fraunhofer Instituts. Dort kreisten die gelben Roboter – oder cyber physical systems (cps) – in scheinbar willkürlicher Manier durch eine große Halle. Autonom und mit Scannern, Lasern und Kommunikationssoftware untereinander ausgestattet, arbeiteten sie Logistik-Aufträge ab. Eine Station weiter waren intelligente Boxen gelagert, die mittels vernetzter Strukturen meldeten, wenn der Inhalt sich beispielsweise dem Ende zuneigt und autonom nachordern konnten. In einem VR-Lab testeten die Teilnehmer virtual und mixed reality mit VR-Brille und Datenbrille. Riesige Computer-Tische simulierten den möglichen Arbeitsplatz von morgen, intelligente Regal- und Containersysteme vermittelten einen Eindruck, wie die Logistik der Zukunft aussehen kann. In einem weiteren Labor demonstrierte ein 3D-Drucker, was mit dieser neuen Technik bereits heute möglich ist. Ein komplettes Kugellager? Kein Problem für einen 3D-Drucker.

„Die vierte industrielle Revolution wird ganze Geschäftsmodelle obsolet machen, das haben wir auch bei den vorherigen wirtschaftlichen Umwälzungen immer wieder erlebt. Aber keine Angst: Industrie 4.0 bietet so viele Chancen. Sie müssen sie nur nutzen“, sagte Dr. Matthias Parlings abschließend und ermutigte gerade kleine und mittelständische Unternehmen dazu „sich auf den Weg zu machen“.

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