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Vier Trends zur Wahl in Nordrhein-Westfalen

„Sind Sie schon bereit für eine männliche Bundeskanzlerin?“ so fragte Partei- und Wahlforscher Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte gleich zu Beginn seines Vortrags das Publikum bei den Bochumer Unternehmergesprächen im Anneliese Brost Musikforum Ruhr in Bochum. Er beleuchtete die aktuelle politische Situation in Deutschland im Superwahljahr 2017. Im Folgenden seine wichtigsten Aussagen...

 Vier Trends, die die Wahl in NRW und in Deutschland bestimmen
 

Unberechenbarkeit als Prinzip

„In Deutschland gibt es eine Erwartungssicherheit angesichts des nicht Erwartbaren. Einen Spitzenpolitiker erkennen Sie deshalb auch daran, wie intelligent er mit Unwissen umgeht. Denn niemand weiß, welche Großereignisse die Politik in Zukunft beschäftigen wird. Wir Deutschen sehen Politiker als Krisenlotsen. Unsichere Wähler wählen natürlich keinen unsicheren Politiker, sondern denjenigen, der Sicherheit suggeriert.“

Wucht der doppelten Gesprächsstörung
„Die Gesprächsstörung zwischen Politik und Bevölkerung macht sich in der Politikverdrossenheit bemerkbar. Viele fühlen sich nicht mehr angemessen vertreten von Politikern. Hinzu kommt eine Medienverdrossenheit. Die Menschen verlieren den Kontakt zur medialen Begleitung der Politik und suchen sich eine eigene Gegenöffentlichkeit. Die konstruiert sich über neue Parteien wie die AfD, die vor allem aus einer anti-elitären Wut entstanden ist. Das Prekäre für eine Demokratie dabei ist: Wir suchen in unseren Meinungsblasen, in denen wir uns bewegen, nicht das Argument, sondern die Bestätigung – was fühlt sich wahr an?“

Dynamik der Unverbindlichkeit
Angela Merkel ist ein Profi in der Beschreibung der Wirklichkeit, aber eine Debütantin in der Beschreibung von Möglichkeiten. Hinzu kommt ein Klima der Großen Koalition, wo wir auf Sicht fahren und wo jeder Versuch, einen zivilisierten Streit zu führen, erstickt wird. Eine Große Koalition ist als politische Ökumene sehr verwerflich und im Grunde ein Stillhalteabkommen über einem Minenfeld. Sie tötet jeden öffentlichen Streit, lähmt einen Parteienwettbewerb und trägt zur Debattenallergie bei.“

Versuchung des Autoritären ist immer noch da
„Demokratie ist das Auseinandersetzen mit einer Streitkultur und dem Schutz von Minderheiten. Die Versuchung des Autoritären macht sich an Typen fest. Trump zum Beispiel sieht sich als Summe aller Männer. Diese Tendenzen gibt es in Europa auch schon. Die Frage ist: Wann verändert sich die Akzeptanz von Führungsverhalten, so dass wir wieder auf solche Typen stärker einsteigen? Martin Schulz ist ein Mediencharismatiker, der der Nüchternheit von Frau Merkel die Emotionalität entgegenstellt. Das ist für uns Deutsche gut, so haben wir überhaupt eine Wahl.“

 

Im internen Teil der Mitgliederversammlung begrüßte der Vorsitzende Hans Jürgen Hesse die Mitglieder und gab das Wort an Silke Steltmann vom Bundesverband BAVC. Sie sprach als Leiterin des BAVC Hauptstadtbüros in Berlin zum Thema „Ohne Lobbying keine wirksame Interessenvertretung“. Sie ging auf ihre Aufgaben und Ziele vor Ort in Berlin ein und berichtete von ihren Spitzengesprächen mit der Bundesregierung, bilateralen Gesprächen mit Parlamentariern und Parlamentarischen Abenden. Auch in Sachverständigenanhörungen im Bundestag oder bei Sozialpartner- und Branchendialogen der Ministerien ist sie vertreten. Insbesondere der Themenausblick zur Bundestagswahl im September ließ erahnen, wie vielfältig der Dialog mit der Politik ist. Silke Steltmann verschafft der Chemie-Stimme bei Themen wie Regulierung der Zeitarbeit und Werkverträge, der Reform des Beschäftigtendatenschutzes, der Ausweitung der Mitbestimmung oder dem Rückkehrrecht aus Teilzeit in Vollzeit Gehör auch in Berlin.

Mitarbeiterkommunikation in der Chemie
Im Anschluss ergriff Alexander Füten, Pressesprecher des AGV Chemie Westfalen, das Wort. Er referierte zum Thema „Mitarbeiterkommunikation in der chemischen Industrie - Ziele, Botschaften, Kanäle“. In einer vom BAVC eingesetzten Arbeitsgruppe sind Antworten auf zwei Fragen gesucht worden. 1. Sind die (Tarif-) Beschäftigten weiterhin eine primäre Zielgruppe der Arbeitgeber-Kommunikation? 2. Wie sollen sie künftig angesprochen werden? Bei einer Analyse des Mediennutzungsverhaltens der Chemie-Beschäftigten mithilfe qualitativer Tiefeninterviews im September2015 kam heraus: Den Chemie-Arbeitgeber wird von den Beschäftigten die Rolle eines Erklärers der wirtschaftlichen Zusammenhänge zugesprochen. „Eine sehr positiv besetzte Rolle, die uns selbst in dieser Klarheit nicht bewusst war“, so Alexander Füten.

Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis? Die Zielgruppenansprache erfolgt zukünftig umfassender und differenzierter als bislang. „Unsere Kommunikation den Beschäftigten gegenüber wird sich zudem auf die Themen ‚Standort’, ‚Tarif’ und ‚Innovation’ beschränken“ erklärte Alexander Füten. Dafür ist die Entwicklung einer „Flash Card App“ – eine App mit stetig aktualisierter Aufbereitung von Arbeitgeber- botschaften für die Zielgruppe Top-Management – und einer neuen Webseite als zentrale Informationsquelle für die Zielgruppe Führungskräfte und außertariflich Beschäftigte geplant. Der neue Markenauftritt heißt zukünftig „Die Chemie. Dein Arbeitgeber.“ Die Umsetzung ist für das dritte Quartal 2017 geplant.

Willibrord Lampen in den Ruhestand verabschiedet
Eine besondere Freude war es dem Vorsitzenden Hans Jürgen Hesse, seinen langjährigen Vorstandskollegen Willibrord Lampen in den wohlverdienten Ruhestand zu verabschieden. Er sagte: „Es war eine Freude, mit Dir zusammen zu arbeiten. Das lag zum einen daran, dass Du immer eine Meinung hattest und ein guter Gesprächspartner, ja ein guter Diskussionspartner, warst. Zum anderen hast Du Dein Ehrenamt als ebensolches verstanden. Du hast es immer irgendwie einrichten können, an Vorstandssitzungen, Tarifverhandlungen, Mitgliederversammlungen oder anderen Verbandstreffen teilzunehmen.“